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Das Ägyptische Museum der Universität Leipzig

Die Geschichte der Leipziger ägyptischen Sammlung beginnt mit einem Glücksfall. Gustav Seyffarth, Professor der Archäologie an der Universität Leipzig, war im Jahre 1840 die Kunde von einem in Triest verkäuflichen mumiengestaltigen Sarg zu Ohren gekommen, und es gelang ihm, das sächsische Kultusministerium zur Freigabe der Kaufsumme von 289 Talern zu bewegen. Als 1842 Richard Lepsius zu seiner "ägyptischen Reise" aufbrach, traf der "merkwürdige Sarkophag mit erhabenen Hieroglyphen von Cedernholz" - so der Titel einer Zeitungsmeldung - in der Antikensammlung der Leipziger Universität ein, die bisher nur Werke griechischer und römischer Kunst, vorwiegend in Gipsabgüssen, beherbergt hatte. Er sollte der Grundstock des späteren Ägyptischen Museums werden, zu dessen Glanzstücken er bis heute gehört.

Auf den neu eingerichteten Lehrstuhl für Ägyptologie an der Universität Leipzig wurde 1870 der Ägyptologe Georg Ebers berufen. Als begeisternder Lehrer zog er mit seinen Lehrveranstaltungen zu ägyptischer Schrift und Sprache, Geschichte und Kulturgeschichte eine zahlreiche und breitgefächerte akademische Hörerschaft an. Weltweit berühmt wurde Ebers mit seinen historischen Romanen, unter ihnen auch Ägyptenromane. Für die Universitätsbibliothek kaufte er den medizinischen und nach ihm benannten Papyrus Ebers an.
Die angewachsene Sammlung ägyptischer Objekte machte ihre Herauslösung aus dem archäologischen Museum, in das sie bis dahin integriert war, nötig. Mit dem Umzug in eigene Räume für Sammlung, Lehrveranstaltungen und Direktorium in einem Flügel des Hauptgebäudes der Universität etablierte sich die Leipziger Ägyptologie 1874 mit der Bezeichnung "Aegyptologischer Apparat" als selbständige Einrichtung. Im Jahr 1889 ließ Ebers sich krankheitsbedingt in den Ruhestand versetzen.

Als Nachfolger wurde 1893 Georg Steindorff an die Universität Leipzig berufen. Durch ihn sollte die ägyptische Sammlung ihre wesentliche Prägung erhalten. Er baute die kleine Lehrsammlung, die er vorfand, zu einem veritablen Museum aus. Das geschah zunächst auf Forschungsreisen nach Ägypten, wo er Gegenstände des Haus- und Grabgebrauchs, aber auch Kunstwerke kleineren Formats erwarb oder, wie den Kalksteinkopf der Königin Nofretete, an Ort und Stelle freilegen ließ und mit Erlaubnis des damals von Franzosen verwalteten Antikendienstes mitnahm.

Besonders zu erwähnen ist Steindorffs herausragende Grabungstätigkeit in Giza, Qau und Aniba in den Jahren 1903-1931. Von diesen Expeditionen stammen zahlreiche Objekte des Ägyptischen Museums. - Nach seiner Emeritierung 1934 lebte Steindorff, der aufgrund seiner jüdischen Herkunft unter der nationalsozialistischen Diktatur zu leiden hatte, noch vier Jahre in Leipzig, ehe er 1939 in die USA emigrieren musste.

Steindorffs ehemaliger Assistent Walther Wolf, der nach Steindorffs Ausscheiden die Museumsarbeit und Lehre fortgesetzt hatte, wurde 1939 auf den Leipziger Lehrstuhl berufen. Durch seine Einberufung zum Militär im gleichen Jahr mussten seine Aufgaben von Vertretungen wahrgenommen werden, der Lehrbetrieb konnte nur reduziert fortgesetzt werden.- Bei einem Bombenangriff wurden die Institutsräume und ein Teil der nicht ausgelagerten Museumsbestände zerstört.
Siegfried Morenz, als wissenschaftliche Hilfskraft während der Kriegsjahre wesentlich an der Aufrechterhaltung des Lehrbetriebs und an der Rettung der Museumsobjekte beteiligt, übernahm die Rückführung von Teilen der ausgelagerten Sammlung und den Wiederaufbau des Instituts. Neuer Standort wurden Räume im Erdgeschoß und Keller in einem Universitätsgebäude in der Schillerstraße 6, wo sich Museum und Institut auch heute noch befinden und in dessen Kellern weiterer ausgelagerter Museumsbesitz die Angriffe des 2. Weltkriegs überdauert hatte. 1951 kam ein Teil der sichergestellten Museumsobjekte wieder nach Leipzig zurück, so dass Morenz damit eine kleine Ausstellung aufbauen konnte. Der Rest des Museumsbesitzes galt als verschollen und man erfuhr erst 1958 von dem Verbleib in der Sowjetunion. Die Sammlungsstücke wurden im Zuge der Normalisierung der Beziehungen der Siegermacht und den kleineren Staaten ihres Herrschaftsbereichs wieder zurückgegeben. Morenz, der bereits 1970 verstorben war, erlebte die Neueröffnung des Ägyptischen Museums der Universität Leipzig, die erst 1976 ermöglicht werden konnte, leider nicht mehr mit.
Die Wiedereröffnung war nicht nur das Ende einer Arbeitsetappe, sondern bildete zugleich den Auftakt einer neuen. Seit dieser Zeit ging es darum, das Erreichte zu festigen und auszubauen. Das Publikum, das täglich mehrere Stunden Zugang bekam, musste mit mündlichen und gedruckten Informationen versorgt und die begonnene restauratorische und wissenschaftliche Bearbeitung systematisch fortgesetzt werden, was nicht zuletzt dadurch erschwert wurde, das ein Teil der Museumsdokumentation im Krieg verbrannte und die Grabungsergebnisse nicht oder nur unzureichend publiziert sind.
Das Museum eroberte sich rasch einen festen Platz im kulturellen Leben der Stadt und wurde zu einem Schaufenster der Universität, so dass es allmählich die politisch verordnete Abschirmung lockern und Anschluß an den internationalen Wissenschaftsaustausch gewinnen konnte.
1987 gelang es sogar etwa 100 originale Kleinkunstwerke von der frühdynastischen bis zur ptolemäischen Zeit für das Museum zu erwerben, darunter einige exzellente Stücke.
Die politische "Wende" von 1989 und die Vereinigung der beiden Staaten Deutschlands brachten neben der großen Öffnung in Kommunikation und Meinungsbildung auch konkrete Entfaltungsmöglichkeiten für Institut und Museum. Mit Universitätsmitteln und Zuwendungen von außen - vor allem durch die Volkswagen-Stiftung - konnten die Arbeitsinstrumente für Restaurierung und Dokumentation und für die Bibliothek modernisiert werden.
Text in Auszügen nach E. Blumenthal in: Das Ägyptische Museum der Universität Leipzig.
Renate Krauspe (Hrsg.).- von Zabern: Mainz am Rhein, 1997.

© Dr. Friederike Seyfried - Kustodin